Innerschweizer Filmpreis

«Mama Rosa»: Ein Aufruf an die eigene Familie

· Online seit 04.03.2021, 18:03 Uhr
«Mama Rosa» ist viel mehr als ein mehrfach preisgekrönter Abschlussfilm der HSLU. Regisseur Dejan Barac verfilmt das Leben seiner Mutter. Es ist ein Solidaritätsaufruf an die Gesellschaft – vor allem aber an seine eigene Familie.
Sven Brun
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Rosa steht jeweils früh auf. Sie kocht, packt das Gekochte in Tupperware und bringt es ins Zimmer ihrer Kinder. Dann wird es hektisch. Sie wird von ihrem Mann, Zeljko, aufgehalten. Er ist seit über 20 Jahren bettlägerig. Rosa leidet stark darunter.

Dass sie eigentlich ein fröhlicher Mensch wäre, sieht man vor allem bei ihrer Arbeit als Putzfrau in einem Altersheim. Dort kann sie ausblenden, was ihr Sorgen bereitet. Doch die ganze Last muss sie selbst tragen. Rosa läuft, um nicht zu fallen.

«Was fehlt dir?», fragt Dejan Barac seine Mutter. «Nichts. Nichts. Ein bisschen Wertschätzung, nichts weiter», sagt Rosa und weint.

Eine Szene aus dem Film, welche die Geschichte von «Mama Rosa» nicht besser beschreiben könnte. «Der Film behandelt ihr Leben, welches sehr aufopferungsvoll ist», erzählt Sohn und Regisseur Dejan Barac. Er wollte verstehen, warum seine Mutter das alles macht, warum sie ihr Leben nur ihrem Mann und ihren Kindern widmet. «Warum sie ihre Moralvorstellungen höher als sich selbst stellt», ergänzt Dejan.

Der Film ist persönlich, er regt zum Nachdenken an. Eine Frau, eigentlich voller Liebe und Freude, wird immer trauriger und verletzlicher. «Der Film ist sehr wichtig für mich, er ist wichtig für uns», erklärt Dejan und fügt hinzu: «Dank dem Film, haben wir zum ersten Mal über die Situation Zuhause gesprochen.» Früher sei man einfach aneinander vorbeigezogen und hätte geschwiegen.

Der Film zeigt das Leben einer Frau, die in Erwerbsarmut lebt, sogenannte «Working Poor». Rosa arbeitet so viel sie kann, trotzdem reicht es nicht oder nur knapp über die Runden. Bereits zu Beginn der Doku sagt Rosa, sie sei wieder in Verzug beim Betreibungsamt. Die finanziellen Verhältnisse seien wirklich «krass prekär», beschreibt Dejan die Situation Zuhause.

Auch das Verhältnis zu seinem Stiefvater will Dejan beleuchten: «Dass ich meinen Stiefvater im Film fast nicht zeige, zeigt meine Beziehung zu ihm.» Er wollte ihm zwar so neutral wie möglich darstellen, doch: «Neutral ist ein schwieriges Wort, das kann man eigentlich gar nicht fühlen», meint er.

Alles in allem: Der Film ist ein Solidaritätsaufruf an die Gesellschaft und an die eigene Familie. «Wieder zusammenzustehen und mehr Farbe ins Leben zu bringen», führt Barac aus. Und dies mit Erfolg. «Der Film hat uns wieder näher zusammenrücken lassen», sagt er.

Die gesamte Produktion hätte etwa zwölf Wochen beansprucht. «Anfangs war es schwierig. Du musst dir mal vorstellen, jemand in deiner Wohnung filmt dich 8 bis 10 Stunden am Tag», erzählt Dejan. Mit der Zeit sei es ihm und seiner Familie jedoch leichter gefallen. Das Stärkste am Film: «Die Leistung meiner Mutter.»

Dejans Ziel sei es nie gewesen, einen Film zu drehen, der grossen Erfolg haben würde. «Ich wollte einfach den Fokus auf meine Mutter richten», sagt er. Doch wohl genau diese authentische Erzählweise brachte den Erfolg.

Der Innerschweizer Filmpreis sei die «Krönung» für ihn. «Es klingt zwar immer sehr abgedroschen, doch ich fühle mich wirklich sehr geehrt», sagt er. Auch das Preisgeld, dotiert auf 20'000 Franken, sei enorm wichtig für ihn. «Ich will damit Menschen in meinem Umfeld unterstützen», sagt er. Und weiter: «Mich selbst ein wenig pushen. Ich würde gerne eigenes Video-Equipment kaufen, damit ich es nicht immer ausleihen muss.»

Der unscheinbare Dejan Barac: Ein aufstrebender Regisseur der Schweizer, ja vielleicht sogar der internationalen Filmszene. Er ist kein Mann der grossen Töne, er wählt seine Worte mit Bedacht. Doch genau dieses Authentische zeichnet seine Filme aus. Man wird wieder von ihm hören, ganz bestimmt.

veröffentlicht: 4. März 2021 18:03
aktualisiert: 4. März 2021 18:03
Quelle: PilatusToday

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