Zentralschweiz

Höhere Mietzinsen: Verdoppelung der Schlichtungsverfahren

· Online seit 29.11.2023, 05:52 Uhr
Das Bundesamt für Wohnungswesen hatte erst anfangs diese Woche bekannt gegeben, dass die Anzahl Schlichtungsverfahren schweizweit massiv zugenommen hat. Als Grund sei unter anderem die Mietzinserhöhung vorzubringen. Bei den Zentralschweizer Stellen sieht die Situation ähnlich aus.
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17'519 neue Schlichtungsverfahren, welche das Miet- oder Pachtrecht betreffen, gab es im ersten Halbjahr 2023 in der Schweiz. Das stellt eine Zunahme von 45,2 Prozent im Gegensatz zum Vorsemester dar, schreibt das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) in einer Medienmitteilung. Wenig überraschend, dass der Anstieg des hypothekarischen Referenzzinssatzes vom 2. Juni dieses Jahres zu einem wesentlichen Teil daran mitschuldig ist. Dieser steigt nämlich das erste Mal seit 2008 von 1,25 auf 1,5 Prozent.

Der Anstieg des Referenzzinssatzes kann zu einer Mietzinserhöhung führen. Dagegen kann sich die Mieterin oder der Mieter bei eben diesen Schlichtungsstellen wehren. Am 1. Dezember kommuniziert das BWO den Referenzzinssatz für das nächste Quartal. Erwartet wird ein weiterer Anstieg.

Doppelt so viele Verfahren in gewissen Zentralschweizer Kantonen

Luzern, Schwyz und Uri berichten über eine Verdoppelung der Schlichtungsverfahren. Die mit einer Mietzinserhöhung im Zusammenhang stehende Verfahren seien in Uri aber nur leicht angestiegen, sagt Angela Diller-Gamma, Vorsitzende der Schlichtungsbehörde Uri. «Etwa ein Viertel der Miet- und Pachtrechtsfälle betreffen derzeit Mietzinserhöhungen», erklärt sie weiter.

Ähnlich sieht die Situation auch im Kanton Zug aus. Dort seien im aktuellen Jahr doppelt so viele Verfahren eingegangen wie in einem Jahr ohne Referenzzinssatzerhöhung. Die Schlichtungsbehörde Zug schreibt auf Anfrage: «Diese Verdoppelung ist zum grössten Teil auf Anfechtungen von Mietzinserhöhungen zurückzuführen.»

Auch im Kanton Obwalden gibt es eine merkliche Zunahme von Schlichtungsverfahren. «Im 2023 hatten wir bisher 53 Schlichtungsgesuche im Mietrecht zu bearbeiten. Im 2022 waren es lediglich 32», schreibt Roland Bucher, Präsident der Schlichtungsbehörde Obwalden, auf Anfrage von PilatusToday und Tele 1. In Nidwalden zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Etwa ein Drittel mehr Verfahren seien eingegangen. «Die Zunahme hängt grösstenteils mit Anfechtungen von Mietzinserhöhungen zusammen», schreibt die Schlichtungsbehörde Nidwalden auf Anfrage.

In der Schweiz herrscht keine Marktmiete

Wenn die Vermieterin oder der Vermieter eine Mietzinserhöhung durchsetzen will, muss eine effektive Kostensteigerung belegt werden können. Das Schweizer Mietrecht sieht nämlich keine Marktmiete, die nachfrage- und angebotsorientiert ist, sondern eine Kostenmiete vor. Das bedeutet, dass die Vermieterschaft nur die effektiven Kosten weitergeben darf. Dazu darf man eine beschränkte Rendite obendrauf packen.

Eine Behörde, die stichprobenartig die Mietpreise nach den Gesetzesnormen überprüft, existiert in der Schweiz nicht. So sind also die Mieterinnen und Mieter selbst verantwortlich und müssen die Vermieter vor die Schlichtungsstelle ziehen, sollte der Mietzins zu hoch sein. Häufen sich die Mietzinserhöhungen, weil zum Beispiel der Referenzzinssatz steigt, suchen auch mehr Mieter die Schlichtungsstelle auf.

Vermieterschaft kommt vor der Schlichtungsbehörde nicht gut weg

Dass die Vermieterschaft zumindest teilweise die Referenzzinssatzerhöhung als Vorwand benutzt hat, die Mieten zu erhöhen, bestätigen einige Schlichtungsstellen. «Es hat sich gezeigt, dass die Mietzinserhöhungen nur teilweise berechtigt waren», schreibt die Schlichtungsbehörde Uri. Aus einem Verfahren im Kanton Uri resultierte sogar eine Mietzinsreduktion.

Im Kanton Zug war sogar der Regelfall, dass die angefochtenen Mietzinserhöhungen ungerechtfertigt waren. «Die in Rechnung gestellte Kostenpauschale, welche bei einer Anfechtung belegt werden muss, konnte in der Regel nicht belegt werden. Somit wurde die geltend gemachte Erhöhung häufig reduziert, schätzungsweise in 80 Prozent der Fälle», schreibt die Zuger Schlichtungsstelle.

Erneuter Anstieg im Dezember erwartet – Kapazitätsgrenzen werden ausgetestet

Steigt am 1. Dezember der Referenzzinssatz ein weiteres Mal, müssen sich die Schlichtungsstellen auf einen weiteren Ansturm einstellen. Von diesem Szenario gehen auch die Zentralschweizer Stellen aus. Der Kanton Obwalden hat schon jetzt die Häufigkeit der mündlichen Verhandlungen erhöhen müssen, konnte das aber ohne zusätzliche Mitarbeiter stemmen.

Auch im Kanton Nidwalden sind die gewählten Mitglieder der Schlichtungsbehörde häufiger im Einsatz als sonst. «Wird die steigende Geschäftslast im Bereich ‹Miete und Pacht› zu einem Dauerzustand, sind Lösungen ins Auge zu fassen, um die notwendigen Ressourcen längerfristig zu gewährleisten», schreibt die Schlichtungsbehörde Nidwalden. In Zug musste man die Pensen der Teilzeitarbeitnehmenden sogar jetzt schon zwischenzeitlich erhöhen. Im Kanton Luzern wurde sogar befristet neues Personal eingestellt.

Ob sich die Situation in den nächsten Monaten verbessern wird, bleibt zu bezweifeln. Sollte es zu dieser erwarteten Steigung des Referenzzinssatzes kommen, würden sich nämlich Verhandlungen überschneiden. Jene, die bis im Frühjahr in der zweiten Runde  der letzten Erhöhung sind und jene, die frisch beginnen aufgrund des Dezemberentscheides.

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veröffentlicht: 29. November 2023 05:52
aktualisiert: 29. November 2023 05:52
Quelle: PilatusToday

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redaktion@pilatustoday.ch