Zwischenzeugnis

Sportlich auf Kurs – aber kann der FCL die Führungskrise abschütteln?

· Online seit 11.10.2022, 16:55 Uhr
Der FC Luzern hat jetzt schon mehr Punkte auf dem Konto als bei Halbzeit der Zitter-Saison 2021/22. Das bedeutet zwar bloss Rang 8 in der Tabelle – aber die Mannschaft von Mario Frick liegt nur drei Punkte hinter Rang 3. Doch welchen Einfluss nimmt die aktuelle FCL-Führungskrise auf die sportliche Entwicklung?
Andreas Ineichen, Freelancer
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Eignen sich zwölf Punkte aus neun Super-League-Spielen dazu, um ein Loblied auf eine Mannschaft anzustimmen? Im Falle des FCL ganz gewiss. So erfolgreich wie jetzt haben die Luzerner Langsamstarter noch kein erstes Meisterschaftsquartal bestritten, seit Remo Meyer im Sommer 2017 Sportchef geworden ist.

In seiner ersten Saison waren es noch zehn Punkte nach neun Spielen, in der Folge dreimal neun und zuletzt gar nur deren fünf. Ein Fakt, der die Forderung von FCL-Mehrheitsaktionär Bernhard Alpstaeg, Remo Meyer zu feuern, eigenartig erscheinen lässt.

Vielmehr lässt sich daraus folgern: Mario Frick und der FCL – das passt gut. Letzte Saison hat der Liechtensteiner mit 29 Punkten in 18 Spielen und teils spektakulären Spielen die viertbeste Rückrunde abgeliefert und den Klub über die Barrage zum Ligaerhalt geführt. Frick wurde als FCL-Retter zum Super Mario.

Wie der FCL in dieser Saison auf dem Platz abliefert

Nun hat er sich daran gemacht, den FC Luzern nach seinen eigenen Vorstellungen zu prägen. Mario Frick steht dabei eine Mannschaft zur Verfügung, an der wohl selbst der dem schönen Fussball verpflichtete Fabio Celestini seinen Gefallen gefunden hätte. Sie hat die Spieler, um einen technisch ansprechenden Fussball zu zelebrieren. Und gleichzeitig auch solche, die physische Präsenz auf dem Platz sprechen lassen können.

Das drückt sich in der aktuellen Heim- und Auswärtstabelle aus. Vor eigenem Publikum hat der FCL in vier Spielen bloss vier Punkte geholt, auswärts deren acht in fünf Matches. Das lässt sich dahingehend interpretieren, dass die Luzerner sich mit dem Gestalten des eigenen Offensivspiels schwerer tun, als wenn sie auf die gegnerischen Fehler reagieren und schnell umschalten können.

Die Grundlage dieses FCL ist eine bislang ziemlich sattelfeste Defensive. Elf Gegentore in neun Spielen ist der drittbeste Wert der Liga hinter den beiden Spitzenteams YB und Servette. Dafür liegen die Luzerner mit 14 erzielten Treffern nur an siebenter Stelle, was die Durchschlagskraft im Angriff betrifft.

Aber dahinter steckt vielleicht eine Aussage: Ein offensiv durchaus talentierter FCL ist sich nicht zu schade, um gemeinsam die defensive Drecksarbeit zu erledigen. Das spricht für einen funktionierenden Teamspirit. Bei seinem FCL-Jobantritt im Januar 2022 verwies Mario Frick sinngemäss darauf hin, dass es seine Stärke sei, für eine Ambiance sorgen zu können, in dem jeder Spieler seine beste Leistung abrufen könne.

Jashari & Co. versprechen viel Geld

Im Vergleich zu vielen früheren Spielzeiten hat der FC Luzern mittlerweile einen Kader beisammen, mit dem sich Geld verdienen lässt. Das hat dubiose Spielervermittler wie Giacomo Petralito & Co. auf den Plan gerufen, die mit dem total unabhängig funktionierenden FCL-Sportchef Remo Meyer seit Jahren keinen einzigen Deal abschliessen konnten.

Die FCL-Gallionsfigur, die künftig eine fette Berater-Provision verspricht, ist der 20-jährige Ardon Jashari. Frick hat Anfang Jahr auf das FCL-Talent gesetzt und ihm zu einem kometenhaften Aufstieg verholfen. Jashari ist seit kurzem Nationalspieler. Sein Marktwert wird derzeit auf rund eine Million Franken geschätzt. Klug von FCL-Sportchef Remo Meyer, dass er den Vertrag mit Jashari im Sommer bis ins Jahr 2026 verlängert hat.

Aber es gibt noch ein paar weitere Spieler im FCL-Kader, die sich als Trouvaillen entpuppen könnten. Erst recht, weil sie Trainer Mario Frick und Sportchef Remo Meyer in diesem Sommer auf dem Transfer-Wühltisch finden konnten:

  • Max Meyer: Der 27-Jährige galt einst als Wunderkind des deutschen Fussballs. Nun holt der ehemalige Premier-League-Spieler beim FCL neuen Anlauf, um seiner Karriere doch noch Schwung und Ansehen zu verleihen. Mit drei Toren in fünf Meisterschaftseinsätzen ist der schlaue und technisch beschlagene Mittelfeldspieler der aktuell torgefährlichste Angreifer beim FCL. Sein Vertrag läuft bis 2024.
  • Nicky Beloko: Physisch stark im Zweikampf und läuferisch extrem ausdauernd. Dazu sind ihm auch das Passspiel und Toreschiessen nicht fremd. Der 22-Jährige, von Xamax aus der Challenge League verpflichtet, ist vor und nach der Verletzung zu einem unverzichtbaren Teil des FCL geworden. Der defensiv ausgerichtete Mittelfeldspieler besitzt einen gültigen Vertrag bis 2025.
  • Pius Dorn: Auch er ein Challenge-League-Spieler, der im Schweizer Oberhaus bis dato bella figura macht. Mit drei Vorlagen und einem Tor ist der 26-jährige Deutsche der offensiv produktivste FCL-Spieler. Auf der rechten Seite ist er im Mittelfeld und der Verteidigung einsetzbar. Dorn läuft nicht nur viel, er besitzt auch die Technik und das Auge, um seine Mitspieler besser zu machen. Sein Vertrag mit dem FCL ist auf den Sommer 2024 befristet.

Zu diesen interessanten Spielertypen kommen noch der 21-jährige Jakub Kadak (Vertrag bis 2026) und der 22-jährige Sofyan Chader (bis 2025). Beide Mittelfeldspieler lassen ihre Qualitäten bloss gelegentlich aufblitzen. Darum fehlt ihnen derzeit die Effizienz, um sich einen Stammplatz zu ergattern. Doch das kann sich schnell ändern.

Hinter den Erwartungen geblieben ist bislang Joaquin Ardaiz. Der 23-jährige Mittelstürmer hatte sich für diese Saison zum Ziel gesetzt, mehr Tore zu schiessen als letzte Saison für Schaffhausen. Mit 20 Treffern wurde er Topskorer der Challenge League. In seinen acht Einsätzen mit dem FCL wartet der Uruguayer noch auf sein erstes Erfolgserlebnis. Was, wenn der Knoten platzt?

Führungskrise hängt wie ein Damoklesschwert über dem FCL

So spannend wie jetzt war der FCL-Kader schon lange nicht mehr: Selber aufgebaute Talente oder kostengünstig eingekaufte Spieler heben die Mannschaft auf ein höheres Niveau. Sie versprechen eine schöne Rendite. Es ist das Verdienst von FCL-Sportchef Remo Meyer in Zusammenarbeit mit seinem Coach Mario Frick.

Nach einem Viertel der Meisterschaft hat der FC Luzern acht Punkte Vorsprung auf den FC Zürich, der als Titelverteidiger Tabellenletzter ist. Und der Zehnte der Super League muss seinen Platz 2023 gegen den Dritten der Challenge League behaupten. Einen Direktabsteiger gibt es in diesem Championat wegen der Aufstockung der höchsten Spielklasse um zwei Mannschaften nicht.

Der FCL unter der aktuellen sportlichen Führung dient durchaus dazu, von einer positiven Zukunft auszugehen. Allerdings hängt die Krise auf oberster Klubebene wie ein Damoklesschwert über den Luzernern. Das widerstrebt sportlichem Erfolg in einem sensibel funktionierenden Millionen-Business.

Quo vadis, FCL?

veröffentlicht: 11. Oktober 2022 16:55
aktualisiert: 11. Oktober 2022 16:55
Quelle: PilatusToday

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